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Bestrafte Krankenhäuser in der Corona-Pandemie

Unglaubliche Falle des Bundesgesundheitsministeriums

(von Klaus Emmerich)

 

Die Corona-Wirklichkeit: Überlastung

 

Die Krankenhäuser sind ab der ersten Pandemiewelle 2020 überlastet. Es droht ein Kollaps auf den Intensivstationen.

 

Am 27.04.2020 schreibt das Bundesgesundheitsministerium an die Krankenhäuser:

 

Ein neuer Alltag auch für den Klinikbetrieb in Deutschland

 

Deutschland hat die Zeit zum Aus- und Aufbau weiterer intensivmedizinischer Kapazitäten wie wenige andere nutzen können. Zugute kommt uns dabei die im europäischen und internationalen Vergleich grundsätzlich sehr hohe Ausstattung von nahezu 34 Intensivbetten auf 100.000 Einwohner. Durch die frühzeitige Aufforderung an die Kliniken, ab dem 16. März 2020 alle medizinisch nicht zwingend notwendigen planbaren Aufnahmen und Operationen zu verschieben und damit Behandlungs- und Intensivkapazitäten in den Kliniken frei werden zu lassen, war es gelungen, bis zu 50 % der Intensivbetten frei zu halten. Diese werden nun nach und nach zur Behandlung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten genutzt.

 

Die Kliniken in Deutschland bekommen durch das vom Bundestag bereits beschlossene COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz eine finanzielle und organisatorische Planungssicherheit im Umfang von rund 8,5 Milliarden Euro, um den Normalbetrieb auf das notwendige zu reduzieren, planbare Operationen und Aufnahmen soweit medizinisch verantwortbar zu verschieben und die Intensiv- und Beatmungskapazitäten auf eine wachsende Zahl von COVID-19-Patientinnen und -Patienten vorzubereiten. Die dadurch entstehenden freien Bettenkapazitäten können somit für Patientinnen und -Patienten, die mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert sind, vorgehalten werden.“

 

Genau dies haben die Krankenhäuser zum Schutz der Corona-PatientInnen getan. Und sie haben gehofft, dass ihre Kapazitäten erhalten oder gar gestärkt werden, um bei Pandemien zukünftig keine anderen Behandlungen verschieben zu müssen. Das sagt schließlich auch ein GRÜNBUCH 2020 - zur Öffentlichen Sicherheit“ des Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit e. V. (ZOES), beauftragt von den Bundesministerien des Inneren, der Forschung und der Bildung:

 

Die ... dargestellte künftige Struktur der stationären Notfallstufen berücksichtigt nur unzureichend die erforderlichen Kapazitiven Vorhaltungen zur Bewältigung eines eskalierenden Ausbruchs einer Infektionskrankheit, deren adäquate Bereitschaftsplanung und Evaluierung, kontinuierliches Training und Übung. … Die Gesundheit der Bevölkerung ist Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge, sodass Versorgungskapazitäten auch mögliche Krisensituationen berücksichtigen sollten. Der Mangel an medizinischem und pflegerischem Fachpersonal muss konsequent angegangen werden. Hier bedarf es einer angemessenen Vergütung, besserer Arbeitsbedingungen und guter Ausbildungsstrukturen.“ *2)

 

Die Enttäuschung ist riesig: Krankenhäuser sollen schließen!

 

 

Der perfide Vorwurf

 

Dass Krankenhäuser Betten frei gehalten haben, wird ihnen jetzt zum Vorwurf gemacht. Das gleiche Bundesgesundheitsministerium stellt jetzt Patientenrückgänge fest und denkt darüber nach, welche man davon dauerhaft einsparen kann.

 

Das Ziel ist keine Stärkung der Krankenhäuser sondern ein Zahlenwerk, das den Krankenhäusern „unberechtigte“ bzw. „einsparbare“ Behandlungen vorrechnet, und daraus Konzentrationsprozesse ableitet. Im Klartext:

 

Es geht um weniger Krankenhäuser!

 

Das Bundesgesundheitsministerium sagt ein Jahr später:

 

Beirat diskutiert und verabschiedet Analyse von Prof. Augurzky und Prof. Busse zum Leistungsgeschehen der Krankenhäuser und zur Ausgleichspauschale in der Corona-Krise … Die Analyse der Leistungsdaten aller deutschen Krankenhäuser zeigt, dass trotz der Aufforderung der Bundesregierung im Frühjahr 2020, planbare Leistungen zu verschieben, die stationäre Versorgung in Deutschland im ersten Pandemiejahr 2020 flächendeckend gewährleistet werden konnte. Nach einem Rückgang der Krankenhausfälle im Frühjahr um ca. 30 Prozent, wurden auf Jahressicht im Bereich der allgemeinen Krankenhäuser 13 Prozent und im Bereich der psychiatrischen Kliniken 11 Prozent weniger Fälle als im Vorjahr versorgt. … Für die weitere Diskussion zu den Auswirkungen der Corona-Krise legen die Autoren detaillierte medizinische Analysen vor. Demnach sind über alle Diagnosegruppen die Rückgänge bei den „dringenden“ Fällen wesentlich weniger ausgeprägt als bei den „weniger dringenden“ oder „vermeidbaren“. Insbesondere bei den ambulant-sensitiven Fällen zeigt sich ein bleibender Rückgang. Die Autoren schließen daraus, dass das Inanspruchnahmeverhalten der Patientinnen und Patienten für den Rückgang der Behandlungsfälle eine deutlich größere Rolle gespielt hat als die aktive Absage von Behandlungen durch die Krankenhäuser. In der Folge wurden weniger Bettenkapazitäten (67 Prozent) in Anspruch genommen. … Die Mitglieder des Beirats betonten, dass die Pandemie zu keinem Zeitpunkt die stationäre Versorgung an ihre Grenzen gebracht hat.“

 

Unglaublicher Sinneswandel Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

 

Der unglaubliche Sinneswandel unseres Bundesgesundheitsministers löst Fassungs-losigkeit aus. Die berechtigten Fragen an ihn lauten:

 

Wozu gab es eigentlich die öffentlich publizierte Sorge des Bundesgesundheitsministeriums um ausreichende Behandlungskapazitäten in Krankenhäusern?

Hat es etwa nie Engpässe gegeben?

Sind etwa nie Krankenhäuser in der Corona-Pandemie vom Netz gegangen, wir ein Maximalversorgungskrankenhaus in Bayreuth ? *4)

Waren die Appelle zur Einhaltung der Kontaktbeschränkungen, um Krankenhäuser vor dem Kollaps zu schützen, also überflüssig?

 

 

Die bittere Realität

 

Die Schlussfolgerungen des Bundesgesundheitsministeriums sind erschreckend und zynisch! Sie berufen sich auf Analysen von Prof. Dr. Boris Augurzky und Prof. Dr. Reinhard Busse, die einen radikalen Strukturwandel mit signifikant weniger Krankenhäusern fordern. Sie lösen eine Debatte aus, die genau die Helden der Nation, die klinischen Ärzte und Pflegekräfte „abstraft“ und ihre Klinikstandorte infrage stellt.

 

Und so sehen nun die Forderungen aus, die vom Bundesgesundheitsministerium unwidersprochen im Raum stehen dürfen.

 

Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO), der AOK-Bundesverbandund Prof. Dr. Reinhard Busse dürfen fordern: „Im Rahmen steigender Infektionszahlen ist es sowohl notwendig die Versorgungsstrukturen von COVID-19-Fällen durch klar definierte und zentral gesteuerte Stufenkonzepte zu verbessern als auch die Versorgung der Patienten ohne COVID-19 weiterhin aufrechtzuerhalten. Ein umfassendes Stufenkonzept mit stärkerer Konzentration erscheint für die Versorgung dieser komplex erkrankten Patienten sinnvoll.“ *5)

Das Barmer Institut für Gesundheitsforschung, die Bertelsmann Stiftung, die Robert Bosch Stiftung, Prof. Dr. Boris Augurzky und Prof. Dr. Reinhard Busse gehen weiter und stellen die Vision auf: Die Grundversorger spielen in der Versorgung von COVID-19-Patient:innen nur eine untergeordnete Rolle: Für die Bewältigung der Corona-Krise werden sie – sofern die Schwerpunkt-Krankenhäuser nicht vollkommen überlastet sind – nicht für die stationäre Behandlung von COVID-19-Patient:innen benötigt. … Für Grundversorger gibt es gute mittel- bis langfristige Perspektiven als integrierte Versorgungszentren: … Mithin geht der Grundversorger in einem lokalen und vernetzten „integrierten Versorgungszentrum“ auf, das für die vielfältigen einfacheren medizinischen und pflegerischen Belange der Bürger:innen ein wohnortnahes Angebot macht. Gemeint ist die Komplettschließung kleiner Krankenhäuser und eine neue Versorgungstruktur mit nur noch 12-stündiger ärztlicher Verfügbarkeit. *6)

Der Verband der Ersatzkassen (vdek) betont im Ärzteblatt: „„… noch vor der Bundestagswahl sollte laut Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek, eine verstärkte Debatte zur Weiterentwicklung der Krankenhausstrukturen erfolgen. … Krankenhäuser auf dem Land sollten dort wo sie nicht ausgelastet sind, zu einer ambulant-stationären Basisversorgung umgewidmet werden.“ *7)

Anlässlich der Präsentation der Krankenhaus-Report 2021 fordert Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes: „Gerade in der Krise zeigt sich der Optimierungsbedarf. Wir brauchen nicht weniger Zentralisierung und Spezialisierung von Kliniken, sondern mehr." *8)

 

 

Und nun kommt die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn beauftragte Studie des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Technische Universität Berlin, sowie Prof. Dr. Boris Augurzky und Prof. Dr. Reinhard Busse zu der Erkenntnis: „Der Rückgang der Fallzahlen (-14%) und insbesondere der Verweildauertage (-15%) war besonders ausgeprägt in den über 900 Krankenhäusern mit weniger als 300 Betten, deren Betten nur noch zu 62,1% ausgelastet waren. Auch die intensivmedizinische Behandlung ging in diesen Krankenhäusern zurück; zugleich spielten sie bei der COVID-19-Versorgung mit 27% der stationären Fälle und 24% der intensivmedizinisch behandelten Fälle nur eine kleine Rolle ...“*9)

 

 

Unfassbar - keine Lobby für Krankenhäuser

 

Betroffen macht, dass in Folge der „Sturms“ auf die Krankenhäuser nun auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) „einknickt“. In den Positionen der Deutschen Krankenhausgesellschaft für die 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags formuliert die DKG: „Der Abbau von nachweisbar nicht bedarfsnotwendigen Kapazitäten, Standortzusammenführungen und im konkreten Einzelfall auch Standortschließungen sind ebenso Teil dieser Strukturentwicklungen wie der Erhalt, die Stärkung und die sektoren- und länderübergreifende Weiterentwicklung von Standorten in Regionen mit Versorgungsdefiziten zur Sicherung der sozialen Daseinsvorsorge und bundes- und landesweit gleichwertiger Lebensverhältnisse.“ *10)

 

Ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie ist der Einsatz des Klinikpersonals in der Corona-Pandemie ohne ausreichende Schutzkleidung und mit immensen Risiken für Gesundheit und Leben vergessen. Ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie steht ein Opfer der Klinikstandorte unabsehbaren Ausmaßes an – ein Schlag ins Gesicht der Ärzte und Pflegekräfte, die ihr Bestes gaben und geben.

 

Kahlschlag der Krankenhäuser – eine beschlossene Sache?

 

Es sieht so aus!

 

Was so hoffnungsvoll aussah – man braucht die Krankenhäuser in dieser schrecklichen Corona-Pandemie – kehrt sich jetzt ins Gegenteil.

 

Übersehen wird die Notwendigkeit für Vorhaltekapazitäten. *1) Statt Krankenhäuser jetzt zukunftsfähig zu machen, wird die verordnete Freihaltung der Klinikbetten im Jahr 2020 dafür hergehalten, einen Strukturwandel größeren Ausmaßes systematisch vorzubereiten. Die Bereitschaft der Krankenhäuser, sich uneingeschränkt auf die Corona-Pandemie einzulassen und dort die Kräfte zu bündeln, wird jetzt bestraft.

 

Leidtragende sind PatientInnen, KlinikmitarbeiterInnen und ländliche Regionen, deren Strukturen rund um ihre Krankenhäuser gnadenlos zerschlagen werden. Leidtragende sind auch die Bürger, die nicht befragt werden, was sie von einem Kahlschlag der deutschen Klinikstruktur halten. Die Politik geht ein fahrlässiges Spiel mit begrenzten klinischen Ressourcen ein, die dann noch mehr reduziert werden.

 

Politiker, Gesundheitsminister und Gesundheitsökonomen haben aus Corona nichts gelernt!

 

Klaus Emmerich

Spitalgasse 1

95502 Himmelkron

Aktionsgruppe „Schluss mit Klinksterben in Bayern“

 

 

*1) Bundesministerium für Gesundheit, 2020, Ein neuer Alltag auch für den Klinikbetrieb in Deutschland, Berlin, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Faktenpapier_Neuer_Klinikalltag.pdf

*2) Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit e. V., GRÜNBUCH 2020 - zur Öffentlichen Sicherheit, S. 33, 42, https://zoes-bund.de/themen/gruenbuch/

*3) Bundesgesundheitsministerium 2021, Beirat diskutiert und verabschiedet Analyse von Prof. Augurzky und Prof. Busse zum Leistungsgeschehen der Krankenhäuser und zur Ausgleichspauschale in der Corona-Krise https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2021/2-quartal/corona-gutachten-beirat-bmg.html

*4) br24, Corona-Mutation: Aufnahmestopp in zwei Bayreuther Kliniken, https://www.br.de/nachrichten/bayern/corona-mutation-aufnahmestopp-an-zwei-bayreuther-kliniken,SNCCW4K

*5) Stationäre und intensivmedizinische Versorgungsstrukturen von COVID-19-Patienten bis Juli 2020 Wissenschaftliches Institut der AOK (WidO), AOK-Bundesverband, ARDS/ECMO-Zentrum Köln-Merheim, Kliniken der Stadt Köln, Universität Witten/Herdecke, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin,Prof. Dr. Reinhard Busse, https://www.springermedizin.de/covid-19/akutes-respiratorisches-distress-syndrom/stationaere-und-intensivmedizinische-versorgungsstrukturen-von-c/18801298

*6) Richtungspapier zu mittel- und langfristigen Lehren - Zwischenbilanz nach der ersten Welle der Corona-Krise 2020, BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung Bertelsmann Stiftung, Robert Bosch Stiftung, S. 4, 35-36, https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/zwischenbilanz-nach-der-ersten-welle-der-corona-krise-2020-all

*7) Ärzteblatt, 2021, Ersatzkassen plädieren für Maßnahmen zur GKV-Beitragssatzstabilisierung, Berlin, https://www.aerzteblatt.de/treffer?mode=s&wo=1041&typ=1&nid=120517&s=Ulrike&s=elsner&s=vdek

*8) AOK-Bundesverband, 2021, Litsch: Pandemie zeigt, dass Zentralisierung und Spezialisierung von Kliniken weiter notwendig sind, https://aok-bv.de/presse/pressemitteilungen/2021/index_24413.html

*9) RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Technische Universität Berlin, 2021, Analysen zum Leistungsgeschehen der Krankenhäuser und zur Ausgleichspauschale in der Corona-Krise - Ergebnisse für den Zeitraum Januar bis Dezember 2020 Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit , https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Analyse_Leistungen_Ausgleichszahlungen_2020_Corona-Krise.pdf

 

*10) Deutsche Krankenhausgesellschaft, 2021, Fair diskutieren, entscheiden, verhandeln, Positionen der Deutschen Krankenhausgesellschaft für die 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags, Berlin, https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/1_DKG/1.6_Positionen/DKG_Positionspapier_2021.pdf

Kahlschlag der deutschen Krankenhäuser verhindern!

Klaus Emmerich auf Gemeingut in BürgerInnenhand

 

Ein Beitrag von Klaus Emmerich

 

Gut, dass es in Deutschland angesichts der Corona-Pandemie so viele Krankenhäuser gibt! Diese Aussage war vor allem beim ersten Corona-Lockdown im März und April 2020 vielfach in der Presse zu lesen. ÄrztInnen und Pflegekräfte in deutschen Krankenhäusern waren „die HeldInnen der Nation“.

 

Das ist vorbei!

 

Aber das ist leider vorbei! Es gibt etliche Gesundheitsberater, die Corona zum Anlass nehmen, einen massiven Abbau von Krankenhauskapazitäten einzufordern. Die Frage, ob unser deutsches Gesundheitswesen überlastet sein könnte, wird nicht mehr gestellt. Die Meldungen von Krankenhäusern, die angesichts der Pandemie an ihre Behandlungskapazitäten gelangen, führen nicht zu der Schlussfolgerung, dass Kapazitäten ausgebaut oder zumindest nicht weiter abgebaut werden dürfen.

 

Die bange Fragestellung, ob die Behandlungskapazitäten in deutschen Krankenhäusern angesichts steigender Fallzahlen ausreichen werden, scheint bei ihnen keine Rolle zu spielen. Könnte es in Krankenhäusern zu Grenzentscheidungen kommen, welche/r PatientIn zuerst eine adäquate stationäre Corona-Behandlung erhält? Auch diese Fragestellung blenden die Gesundheitsberater offensichtlich aus. Das Fatale; Gesundheitsberater wie Prof. Dr. Reinhard Busse und Prof. Dr. Boris Augurzki sind ständige Berater der Bundesregierung. Ihre Expertisen haben ein hohes Gewicht bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie recherchieren auch für die Bertelsmann Stiftung, die 2019 in einer Studie „Krankenhäuser schließen – Leben retten!“ 600 statt bisher 1.925 bundesdeutsche Krankenhäuser forderte.

 

Bertelsmann Stiftung, Robert Bosch Stiftung und BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung für radikale Änderungen

 

Was die meisten BürgerInnen nicht verfolgen, ExpertInnen und Politik aber registrieren und aufgreifen: Inmitten der Corona-Krise preschen das BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung, die Robert Bosch Stiftung und die Bertelsmann Stiftung jetzt mit einem „Richtungspapier zu mittel- und langfristigen Lehren“ vor, das den Titel „Zwischenbilanz nach der ersten Welle der Corona-Krise 2020“ trägt. Man reibt sich die Augen, denn es gibt sie tatsächlich noch, die BefürworterInnen klinischer Konzentrationsprozesse und Kapazitätsverringerungen. AutorInnen des Papiers: Prof. Dr. Boris Augurzky, Prof. Dr. Reinhard Busse, Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, Prof. Dr. Gabriele Meyer. Trotz der Erfahrungen der Corona-Pandemie, die an die Kapazitätsgrenzen der Behandlungsressourcen ging und noch immer geht, empfehlen die AutorInnen der Bundesregierung und den Krankenkassenverbänden, Corona ausschließlich in großen Krankenhäusern behandeln zu lassen. Nicht belegte angebliche Qualitätsdefizite kleiner Krankenhäuser werden hierfür zur Begründung bemüht. Kleine ländliche Krankenhäuser würden somit aus hochwertigen Behandlungen – auch Corona – ausgeschlossen und komplett in ein Integriertes ambulant-/stationäres Zentrum (IVZ) umgestaltet. Mit der nicht belegbaren Behauptung, Corona könne man stationär lediglich in großen Krankenhäusern der Schwerpunkt- oder Maximalversorgung adäquat behandeln, propagieren Gesundheitsberater und Stiftungen eine ganz neue Kliniklandschaft.

 

Die neue Kliniklandschaft

 

Die neue Kliniklandschaft bevorzugt stationäre Versorgung in Krankenhäusern der hohen Versorgungsstufen. Die ambulante Versorgung (ohne stationäre Notfallversorgung) und einfache stationäre Versorgung verbliebe nach dem Richtungspapier der Bertelsmann Stiftung, der Robert Bosch Stiftung und des BARMER Instituts für Gesundheitssystemforschung dann den dünn besiedelten Regionen. Krankenhäuser der untersten Versorgungsstufe sollen in Integrierte ambulante und stationäre Zentren überführt werden.

 

Das Prinzip

 

Ein neues Integriertes ambulant-/stationäres Zentrum löst die bisherige Grund- und Regelversorgung in Deutschland ab. Die ambulante Versorgung hat Vorrang. Die Notfallversorgung soll sich – wenn überhaupt – auf ambulante „Kleinnotfälle“ konzentrieren. Unterschiedliche Vergütung und unterschiedliche Qualitätsansprüche an Maximalversorger beziehungsweise Schwerpunktkrankenhäuser einerseits sowie integrierte ambulant-/stationäre Zentren andererseits bestimmen, welcher Standort noch was behandelt oder behandeln darf.

 

Die Bundesländer sollen (analog der Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen) die Krankenhäuser entsprechend ihrem Leistungsspektrum beziehungsweise ihrer Ausstattung konkret aufgliedern in

 

Maximalversorger

Schwerpunktkrankenhäuser

Integrierte ambulant-/stationäre Zentren.

Was ist ein Integriertes ambulant-/stationäres Zentrum (IVZ)?

 

Die AutorInnen des sogenannten Richtungspapiers machen deutlich, dass sich das deutsche Gesundheitswesen aus der ländlichen Region massiv zurückziehen könnte und schreiben:

 

„Das IVZ leistet zur Sicherstellung der Basisversorgung in der Fläche einen entscheidenden Beitrag. Falls es eine stationäre Versorgung anbietet, beschränkt es sich auf die Grundversorgung in der Inneren Medizin, der Chirurgie und – in Abhängigkeit von regional vorhandenen Alternativen – in Ausnahmefällen der Geburtshilfe. Diese fachgebietsspezifischen Kompetenzen sind auch für die (eingeschränkte, s. o.) Notfallversorgung, das ambulante Operieren, die ambulante fachärztliche Versorgung und die Koordination der regionalen Leistungserbringung hilfreich.“

 

(Quelle: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/zwischenbilanz-nach-der-ersten-welle-der-corona-krise-2020-all)

 

Wohnortnahe ländliche Krankenhäuser hätten dann ausgedient. Die Kluft zwischen städtischer Bevölkerung mit Krankenhäusern hoher Versorgungsstufe sowie ländlicher Bevölkerung mit überwiegend ambulanter Versorgung würde größer. Das ist ein gespenstisches Szenario, und seine BefürworterInnen gehen ständig ein und aus beim Gesundheitsministerium.

 

Wo bleiben die BürgerInnen?

 

Ebenfalls in der Corona-Krise wurden die BürgerInnen befragt, wie sie sich die deutsche Krankenhauslandschaft vorstellen. Das Urteil ist klar und eindeutig: Demnach ist eine sehr große Mehrheit der Befragten (88 Prozent) der Ansicht, dass ein Abbau von Krankenhausinfrastruktur nicht sinnvoll wäre. Ähnliche viele Befragte (85 Prozent) finden es auch nicht sinnvoll, dass Krankenhausschließungen und Bettenabbau weiterhin finanziell vom Staat gefördert werden. Danach gefragt, was sie für wichtiger halten – die Patientenversorgung oder die Wirtschaftlichkeit der Krankenhäuser –, entscheidet sich fast jeder Befragte (96 Prozent) für die Patientenversorgung. Es wird höchste Zeit für mehr Demokratie! Es wird Zeit dafür, dass die Konzepte der Lobbyisten, besonders der Bertelsmann Stiftung und der Robert Bosch Stiftung, gestoppt werden. Es wird Zeit, dass die BürgerInnen über die Zukunft der Krankenhäuser mitbestimmen.

 

Autor: Klaus Emmerich, Klinikvorstand i. R., www.kliniksterben.jimdo.com

Pressemitteilung

 

In Deutschland findet gerade eine dramatische Zerstörung der gewachsenen Krankenhauslandschaft statt. Ziel ist, Geld einzusparen. Dafür sollen viele Krankenhäuser geschlossen werden. Namhafte Institute und Berater des Bundes schlagen bis zu 50% der bestehenden Krankenhäuser vor. Dies nehmen Dr. Rainer Hoffmann, Chefarzt i.R. und Klaus Emmerich, Klinikvorstand zum Anlass, sich gegen die massive Einflussnahme dieser Institute mit einer Petition zu wehren.

 

Es ist unklar, wie dann die medizinische Versorgung eines Großteils der Bevölkerung gewährleistet werden soll. In Pandemien drohen Zustände wie in Italien oder England. Dort wurde das Gesundheitswesen konsequent kaputtgespart, erläutern beide Autoren.

 

Die Pläne werden lediglich in Fachkreisen diskutiert. Problematisch ist, die Ablenkung der Menschen durch die Corona-Pandemie auszunutzen. Unbeirrt werden Fakten geschaffen. Laufend werden Krankenhäuser trotz der gegenwärtigen besonderen Belastungen geschlossen. Die Menschen müssen dies wissen. Sie müssen dazu gefragt werden!

 

Die Forderungen

 

1. Namhafte Institute und Berater des Bundes haben umgehend ihren Interventionen für eine gravierende Umgestaltung der deutschen Krankenhauslandschaft mit deutlich weniger Klinikstandorten einzustellen.

2. Bundesregierung und Bundesländer müssen die gravierenden Veränderungen der Krankenhausstruktur sofort stoppen. Die Bürger müssen gefragt werden.

3. Die flächendeckende klinische Versorgung in Deutschland ist elementarer Bestandteil der Daseinsvorsorge. Diese darf nicht in Frage gestellt werden. Die Bevölkerung muss in Beratungsgremien des Bundesgesundheitsministeriums in geeigneter Weise vertreten sein.

 

Besonders problematisch sehen beide Autoren die Bertelsmann-Stiftung. Sie hatte 2019 bereits 600 statt 1.925 Krankenhäuser gefördert. Jetzt fordern in einem Richtungspapier zu mittel- und langfristigen Lehren - Zwischenbilanz nach der ersten Welle der Corona-Krise 2020 das Barmer Institut für Gesundheitsforschung, die Bertelsmann Stiftung und die Robert Bosch Stiftung einen Abbau von Krankenhauskapazitäten und eine neue Kliniklandschaft. Krankenhäuser der Grundversorgung sollen in Integrierte Versorgungszentren mit überwiegender ambulanter Versorgung umgewandelt werden. Betroffen sind vor allem ländliche Regionen. Angesichts der besorgniserregenden Engpässe der Krankenhäuser in der Corona-Krise ist es fahrlässig, wenn sich Bundesgesundheitsminister Spahn und etliche Bundesländer auf diese Berater und Institute einlassen. Es wird Zeit, dass die Bevölkerung wahrnimmt, dass mitten in der Corona-Pandemie in Gesundheitsministerien über eine massive Umgestaltung der Krankenhäuser mit gravierenden Auswirkungen auf die flächendeckende klinische Versorgung diskutiert wird.

 

Verantwortlich

 

Klaus Emmerich

Klinikvorstand i.R.

Egerländerweg 1

95502 Himmelkron

Tel. 0177 1915415

klaus_emmerich@gmx.de

www.kliniksterben.jimdofree.com

 

Rainer Hoffmann

Chefarzt i.R.,

Gastroenterologe

Beide Initiatoren sind Mitglied im Bündnis Klinikrettung: www.klinikrettung.de

Vermischte Interessen der Gesundheitsberater

 

Verehrte Unterstützer,

 

ein Interview der Welt mit Prof. Dr. Reinhard Busse zeigt das wahre Gesicht der Gesundheitsberater von Jens Spahn.

 

Quelle: www.welt.de/politik/deutschland/article223491232/Krankenhaeuser-und-Corona-Warum-muss-da-der-Steuerzahler-helfen.html?cid=onsite.onsitesearch

 

Trotz der Corona-Engpässe bei den Krankenhäusern bleibt Prof. Dr. Busse bei der Vorstellung, es gebe zu viele Krankenhausbetten in Deutschland.

 

Und trotz der begrenzten klinischen Corona-Behandlungsmöglichkeiten plädiert er für weniger Krankenhäuser. Hier zeigt sich bei Prof. Dr. Reinhard Busse ganz deutlich die Vermischung von Partikularinteressen des "Richtungspapiers zu mittel- und langfristigen Lehren - Zwischenbilanz nach der ersten Welle der Corona-Krise 2020" (2 statt 3 Krankenhausstufen) und der politischen Einflussnahme im Expertenrat zur Unterstützung für Krankenhäuser in der Corona-Epidemie von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (Ausschluss der niedrigsten Stufe aus der covid-19-Ausgleichsfinanzierung.

 

Auszug aus dem Interview:

 

WELT: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) scheint das anders zu sehen. Er hat eine Garantie für die Gehälter von Krankenhausangestellten ausgesprochen. Sind die Krankenhäuser durch die Corona-Krise so schwer getroffen?

 

Busse: Fakt ist: Wir haben zu viele Krankenhausbetten für den tatsächlichen Bedarf. Es standen noch nie so viele Betten leer wie zurzeit. Es ist ein Ammenmärchen, dass normale Betten für Corona-Patienten frei gehalten werden müssen. Es möchte einfach gerade niemand ins Krankenhaus. ...

 

WELT: Die Krankenhausgesellschaft gibt an, dass weniger als ein Drittel der Kliniken für 2020 eine positive Bilanz erwarten.

 

Busse: Erwarten heißt nicht, dass es so kommt. Wir vom Beirat für die Evaluation der Auswirkungen des Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetzes haben nachgerechnet, dass die Netto-Erlöse von Krankenhäusern gestiegen sind, zumindest bis Ende September. Nicht zuletzt durch die Zahlungen aus dem ersten Rettungsschirm.

 

Selbst wenn die Krankenhäuser rote Zahlen schreiben würden – was sie überwiegend nicht tun werden –, stellt sich die Frage: Warum muss da jetzt der Steuerzahler helfen, wenn es Überkapazitäten gibt, die es schon vor der Pandemie gab – und die es auch nach der Pandemie noch geben wird?